Mediziner und Kriminologen befürworten eine veränderte Strategie zur Eindämmung des Drogenkonsums.
Verbote und die strafrechtliche Verfolgung von Drogenkonsumenten haben sich aus Sicht mancher Fachleute nicht bewährt. Sie befürworten deswegen weniger Repression und mehr Hilfsangebote, wie sich anlässlich einer Anhörung über Anträge der Linksfraktion am Montag im Gesundheitsausschuss des Bundestages gezeigt hat. Die Sachverständigen äußerten sich in schriftlichen Stellungnahmen.
Die Linke plädiert in ihren Anträgen für eine liberalere Drogenpolitik. In einem Antrag (BT-Drs. 19/14828 – PDF, 270 KB) fordert die Fraktion, von einer strafrechtlichen Verfolgung bei Volljährigen abzusehen, wenn Konsumenten die Betäubungsmittel nur zum Eigenverbrauch nutzten. Dabei dürften bestimmte Mengen nicht überschritten werden. Die Abgeordneten fordern in einem weiteren Antrag (BT-Drs. 19/28774 – PDF, 255 KB) Rechtssicherheit für die Substanzanalyse von Drogen, das sogenannte Drug-Checking.
Nach Erkenntnis der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) ist der Nutzen der Strafverfolgung zur Verbesserung der gesundheitlichen Risiken auf der individuellen Ebene bislang unbewiesen. Es sei daher ein wichtiges Instrument der Ermittlungsbehörden, bei geringen Mengen für den Eigenbedarf von einer Strafverfolgung abzusehen. Allerdings könnten viele Betroffene ihren Konsum nicht richtig einschätzen und hielten ihn fälschlicherweise für unproblematisch. Es sei daher sinnvoll, den Verzicht auf Strafverfolgung mit einer Auflage zu verbinden, etwa eine Suchtberatung aufzusuchen.
Der Psychiater und Spezialist für Drogentherapien, Derik Hermann, erklärte, die Drogenpolitik bewege sich zwischen den Polen einer strafrechtlichen Verfolgung des Konsums und einer weitreichenden Freigabe. Die Dekriminalisierung stelle einen Mittelweg dar, mit dem Portugal gute Erfahrungen gemacht habe. Portugal habe den Drogenkonsum entkriminalisiert und den Besitz einer definierten, geringen Menge zum Eigenverbrauch aus dem Strafrecht herausgenommen und als Ordnungswidrigkeit eingestuft.
Die Kriminologin Svea Steckhan argumentierte, aus polizeilicher Sicht sei eine nach realitätsnahen Gesichtspunkten orientierte Grenzwertfestlegung einer geringen Drogenmenge zu befürworten. Die drogenbezogene Strafverfolgung werde als kontraproduktiv bewertet, weil sie indirekt weitere Kriminalitätsformen oder andere gesellschaftliche Folgeschäden produziere. Häufig werde die Polizeiarbeit als „für den Papierkorb“ angesehen, weil Verfahren eingestellt, aber zuvor wertvolle Ressourcen aufgewendet würden, um Anzeigen zu schreiben.
Skeptisch zu einer liberalen Drogenpolitik äußerte sich der Einzelsachverständige Uwe Wicha. Mit der Definition einer geringen Menge ohne Berücksichtigung des Wirkstoffgehaltes werde ein Anreiz gesetzt, Substanzen hochkonzentriert in Umlauf zu bringen. Bis zu welchem Reinheitsgrad und mit welchen Mitteln gestreckt werde, sei für Konsumenten unabsehbar.
hib – heute im bundestag Nr. 649 v. 17.05.2021
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