Das LG Lübeck hat die Eröffnung des Hauptverfahrens nach der Anklage wegen des Todes eines Patienten nach seiner Fixierung in der psychiatrischen Abteilung eines Lübecker Krankenhauses abgelehnt.
Ende Mai 2019 hatte die Staatsanwaltschaft Lübeck insgesamt zwölf Personen – Ärzte, Pflegekräfte, Polizeibeamte und Mitarbeiter eines privaten Sicherheitsdienstes – wegen Körperverletzung mit Todesfolge angeklagt. Dem lag ein Vorfall am 20.08.2017 in einer psychiatrischen Abteilung eines Lübecker Krankenhauses zugrunde: Bei Durchführung einer Zwangsbehandlung bei einem hochgradig aggressiv auftretenden 33-jährigen Mann, der aufgrund seines erheblichen Verwirrtheitszustandes zuvor von Polizeibeamten in Gewahrsam genommen und zum Krankenhaus verbracht worden war, erlitt dieser einen Herz-/Kreislauf-/Atemstillstand; er konnte zwar wiederbelebt werden, verstarb aber einige Wochen später an einem aufgrund Sauerstoff-Unterversorgung erlittenen Hirnschaden; laut Anklageschrift soll einer der Angeschuldigten, ein Mitarbeiter eines privaten Sicherheitsdienstes, im Rahmen der Fixierung des Patienten ein Kopfkissen eingesetzt haben.
Das LG Lübeck hat die Eröffnung des Hauptverfahrens gemäß § 204 StPO abgelehnt.
Nach Auffassung der mit drei Berufsrichterinnen besetzten Großen Strafkammer VIIa ist – nach den Ergebnissen des von der Staatsanwaltschaft geführten Ermittlungsverfahrens – hinsichtlich keines der Angeschuldigten eine Verurteilung wahrscheinlich.
In Bezug auf den Anklagevorwurf der Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 StGB) folge dies bereits daraus, dass sich nach umfassender Würdigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens in einer etwaigen Hauptverhandlung nicht feststellen lassen werde, dass ein Verschluss der Atemwege bzw. eine Behinderung der Atmung durch ein Kissen ursächlich für den Tod des zwangsbehandelten Patienten gewesen sei. Nach sämtlichen vorliegenden (rechts-)medizinischen Gutachten zum Gesundheitszustand des Patienten und zur Ursache seines Todes verbleibe es bei der ernsthaft in Betracht zu ziehenden Möglichkeit, dass der Herz-/Kreislauf-/Atemstillstand und der daraus folgende Hirnschaden des Patienten auch ohne den Einsatz des Kissens und ohne eine etwaige Beeinträchtigung der Atmung des Patienten dadurch eingetreten sei, nämlich aufgrund des Zusammentreffens folgender Umstände: eines vorherigen Drogenkonsums und einer vermutlich hierdurch hervorgerufenen Psychose des Patienten, seiner massiven Gegenwehr mit einer daraus folgenden muskulären Erschöpfung sowie einer Behinderung der Atmung im Rahmen der sonstigen Fixierung bei der Zwangsbehandlung.
Auch unter anderen rechtlichen Gesichtspunkten fehle es an einem hinreichenden Tatverdacht gegenüber den Angeschuldigten; dies gelte insbesondere für den Tatbestand der vorsätzlichen Körperverletzung in Form der körperlichen Misshandlung (§ 223 Abs. 1 Fall 1 StGB):
Es werde sich in einer etwaigen Hauptverhandlung nicht feststellen lassen, dass einer der Angeschuldigten mit einem Kissen die Atemwege des zwangsbehandelten Patienten ganz oder teilweise verschlossen habe. Zwar spreche nach den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens einiges dafür, dass ein Mitarbeiter eines privaten Sicherheitsdienstes zur Fixierung des sich gegen die Zwangsbehandlung heftig wehrenden Patienten zeitweise ein Kissen eingesetzt habe. Nach sämtlichen verfügbaren Angaben von Angeschuldigten und Zeugen zu dem Zwangsbehandlungsgeschehen und insbesondere zu dem Kisseneinsatz verbleibe es aber bei der ernsthaft in Betracht zu ziehenden Möglichkeit, dass der vorgenannte Mitarbeiter mit dem Kissen nur den Kopf des u.a. spuckenden und beißenden Patienten zur Seite gedrückt habe, ohne mit dem Kissen dessen Atemwege ganz oder teilweise zu verschließen, was – für sich genommen – im Rahmen einer medizinischen Zwangsbehandlung nicht strafbar sei.
Gegen diese Entscheidung ist für die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben (§ 210 Abs. 2 StPO), für die Entscheidung darüber wäre das OLG Schleswig zuständig.
Pressemitteilung des LG Lübeck v. 01.07.2019
Eine Antwort hinterlassen